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Leutzscher Fußball-ein Rückblick
Vom Kaiserreich bis in die Berliner Republik
Tränen, Schweiß, Triumphe
Als am 30. August 1899 der 18-jährige Fleischergeselle Gustav Krauß mit Paul Findeisen vom Nachbarhof zum ersten Mal ein Fußballspiel bei Lipsia Eutritzsch, dem ersten Fußballverein in Leipzig, besuchte, konnte er nicht wissen, dass mit der am gleichen Tag folgenden Vereinsgründung eine der faszinierendsten Geschichten des deutschen Fußballs ihren Anfang finden würde.
Unter dem Namen Britannia nehmen die jungen Burschen das Unternehmen tatkräftig in Angriff. Bemerkenswert der Inhalt der damaligen Satzung, die den Verzicht auf Zigaretten, Limonade und auf jedes andere Vergnügen außer dem des Fußballs, vorschrieb. Zudem wurde das komplette Taschengeld in die Vereinskasse gespendet. Das kann man getrost Konzentration auf das Eigentliche nennen!
Nachdem der Fußball bei Britannia und auch in Leipzig aus den Kinderschuhen heraus ist, verliert er mit dem Kriegsbeginn 1914 seine Unschuld. Viele Spieler müssen ins Feld ziehen, manch einer kehrt niemals zurück. So kommt es auch zur ersten Vereinigung mit einem anderen Club. Am 19. Dezember 1919 verschmelzen Britannia 99 und Hertha 05 unter LSV 1899. Wenig später wurden die Spielfelder an der Merseburger Straße erworben, die Vereine entwickelten sich schnell und sehr gut. 1932 gründete der Automatenfabrikant Karl Schwarz den Sportverein TuRa 1932. Kurz nach der Zusammenstellung der ersten Mannschaft schlug diese den amtierenden deutschen Fußballmeister Schalke 04 vor 30000 Zuschauern mit 2:1. 1938 fusionierten TuRa und LSV 1899. Nun strömten die Zuschauer nach Leutzsch, der neuen Spielstätte des Vereines. Nach Machtergreifung der Nazis wurde der deutsche Sport "gleichgeschaltet", was bedeutete, dass der Arbeitersport verboten und seine Vereine aufgelöst wurden. Das hatte auch zur Folge, dass die beiden in Leutzsch ansässigen Vereine Jahn und Victoria aufgelöst wurden und der Platz ab 1935 für die Tu Ra nutzbar wurde. Viele Zuschauer hatten Sympathien für die ehemaligen Spieler des Arbeitersports, die bei der Tu Ra kickten. So beäugte der Reichssicherheitsdienst SD argwöhnisch die Vorgänge. TuRa zog nicht selten bis zu 15 000 Zuschauer an, spielte in der Gaumeisterschaft und wurde neben dem VfB zur wichtigsten Kraft im Leipziger Fussball.
An Zuschauerinteresse mangelte es meist nicht im Leutzscher Holz. Doch mit den Zeiten änderte sich auch der Zuspruch.
Bis zum April 1945 wird in Leutzsch Fußball gespielt, auch wenn in den letzten Kriegsjahren so wenige Spieler in der Heimat verblieben waren, dass sogenannte KSG (Kriegsspielgemeinschaften) gebildet wurden.
Nach dem Krieg ging es schnell wieder los, und schon bald gab es wieder eine Fusion. Die SG Leutzsch, wie unser Verein nun hieß, wurde 1946 Stadtmeister und 1948 Sieger der Mammutliga, einer Art Bezirksmeisterschaften. Im März 1949 entstand die "Zentralsportgemeinschaft" (ZSG) Industrie, die sich aus insgesamt fünf Vereinen des Leipziger Westens zusammensetzte. 1950 erfolgte die Gründung der BSG Chemie Leipzig, die vom Trägerbetrieb ,,Lacke und Farben" materiell unterstützt wurde. Gleich in ihrem ersten Jahr gewann Chemie den größtmöglichen Erfolg und wurde deutscher Meister der DDR. Vor 60000 Menschen in Chemnitz wurde das Entscheidungsspiel gegen Erfurt mit 2:0 gewonnen. Politische Ränkespiele sorgten jedoch dafür, dass 1954 die so beliebte und erfolgreiche Mannschaft (Vizemeister 1954) aufgelöst wurde. Als SC Lokomotive spielten die meisten Chemiker weiter. Der Verein selber kickte unter Chemie Leipzig West in der Bezirksklasse weiter. Neun Jahre Dornröschenschlaf begannen in Leutzsch.
Erst 1964 erwachte der Verein zu neuem Leben. Die Politik hatte wieder Veränderungen beschlossen. SC Lok und SC Rotation wurden aufgelöst, Chemie bekam einen Platz in der Oberliga und diejenigen Spieler, die als nicht so gut wie ihre Kameraden angesehen wurden und zum neuen Superclub SC Leipzig gingen. Das Ende ist bekannt: Chemie, der Klick,,Rest von Leipzig'' , wurde sensationell Meister und verewigte sich in den Geschichtsbüchern. Pokalsieg 1966, 3. Platz 1965 und die Europapokalspiele gegen Warschau, Györ und Lüttich stellten die ultimativen Höhepunkte der Vereinsgeschichte dar.
Später konnte die sportliche Leistung nicht auf höchstem Niveau gehalten werden, weil die Politik wiederum eingriff. Die stärksten Spieler wurden fortan konzentriert, und zwar nicht bei Chemie, sondern beim Lokalrivalen Lok. So wurde man auf Dauer zur "Fahrstuhlmannschaft", stieg mal in der Oberliga auf, dann wieder ab. Die Sympathie der Zuschauer behielt man, aber sportliche Attraktivität gab es nicht mehr. Zur Wende 1989 sollte alles anders werden - aber es wurde alles nur noch schlimmer. Abstieg in die Amateur-Oberliga, Verweigerung der Lizenz durch den DFB, Selbstdarsteller, Egomanen und Profilneurotiker wüteten im Leutzscher Holz. Mit zweieinhalb Aufstiegen in den letzten 20 Jahren (jeweils Regionalliga) konnte man nichts bewegen, der Abstieg erfolgte postwendend. Zwei Insolvenzen, das unglückselige Abenteuer Zentralstadion, die Abspaltung der BSG Chemie und die misslungene Wiedervereinigung - nach 111 Jahren ist außer der Geschichte nicht viel Werthaltiges geblieben. Nur der Name Krauß blieb uns erhalten. Denn der sechsjährige Tom Krauß aus der F-Jugend ist der Urenkel von Fritz, dem Bruder von Britannia-Gründer Gustav Krauß.
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